
Künstliche Intelligenz verändert längst nicht mehr nur Arbeitsprozesse, sondern stellt grundlegende Fragen an die Art und Weise, wie Zusammenarbeit organisiert und geführt wird. Entscheidungen entstehen schneller, Expertise wird entgrenzt, Vertrauen muss neu verankert werden. Wer heute digitale Zusammenarbeit gestaltet, steht vor neuen Dynamiken – und vor der Herausforderung, Strukturen, Verantwortung und Kompetenzentwicklung neu auszurichten.
Mit dem Digital Work Forum 2025 haben wir am 29. April genau diese Entwicklung aufgegriffen – und die Reifeentwicklung in der Nutzung von KI am Arbeitsplatz aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Im Zentrum standen Empfehlungen für die praktische Gestaltung von Führung, Enablement und Organisationsdesign.
In diesem Beitrag ziehe ich eine erste Zwischenbilanz: Welche Anforderungen stellt KI an Führung und Organisationsstrukturen? Wo verschiebt sich Verantwortung – und was heißt das für alle, die digitale Arbeit aktiv gestalten wollen?
KI-Adoption statt Tool-Rollout: Warum smarte Zusammenarbeit ein Update braucht
Zum Auftakt der Veranstaltung habe ich den Weg nachgezeichnet, den wir auf der Shift/Work Plattform seit 2007 begleiten: von Intranet-Management über Social Collaboration, Remote Work und hybride Modelle bis zur heutigen Herausforderung – der systematischen Integration von KI in die Arbeitswelt. Mit dem Aufkommen von KI verschiebt sich der Fokus erneut. Es geht nicht mehr nur um digitale Werkzeuge, sondern um einen tiefgreifenden Umbau von Prozessen, Rollen und Entscheidungsstrukturen.
KI erfordert ein neues Verständnis von Zusammenarbeit. Mit einem Reifegradmodell von Dion Hinchcliffe habe ich aufgezeigt, wie sich Organisationen auf dieser Entwicklungslinie bewegen – von punktuellen Experimenten bis zur strategischen Einbettung. Eine Umfrage unter den Teilnehmenden zeigte: Viele Unternehmen befinden sich noch in der Anfangsphase. Erste Erfahrungen sind gemacht, aber die Orientierung fehlt.
Gleichzeitig wächst der Druck. Visualisierungen von Jeff Winter sowie die offenen Rückmeldungen der Teilnehmenden machen deutlich, welche Lücken bestehen – in Governance, Kompetenzaufbau und organisationaler Verankerung. KI-Adoption bedeutet nicht nur technologische Integration, sondern eine dreifache Veränderung: auf Ebene des Wissens, des Verhaltens und der Haltung.
In ihrer letztjährigen Keynote zeigte Cerys Herseys, wo systematische Entwicklung ansetzen muss: bei der Fähigkeit, KI-Anwendungen zu verstehen, mit ihnen zu arbeiten und ihre Ergebnisse reflektiert zu bewerten. Dabei wird immer wieder das Bild der KI als „AI Companion“ angeführt – als intelligenter, virtueller Kollege, mit dem wir kooperieren, statt ihn nur zu bedienen. Dafür braucht es aber ein Enablement, das über funktionales Tool-Training hinausgeht: Kontextualisierung, kritisches Denken und soziales Lernen sind die neuen Schlüsselelemente smarter Zusammenarbeit.
Warum Führung neu denken muss – und Hierarchie nicht überlebt
Mit der Integration von KI verschiebt sich nicht nur das Wie der Arbeit, sondern auch das Wer und Wozu. In ihrem Impuls-Vortrag lenkten Sabine und Alexander Kluge den Blick auch auf die besondere Rolle der Führung und der Führungsrolle im Wandel. Sie diskutierten mit uns fünf Thesen, die zeigen, wie grundlegend sich Aufgaben, Selbstverständnis und Machtverhältnisse verändern, wenn KI zum festen Bestandteil der Arbeitsorganisation wird.
Im Zentrum steht ein Paradigmenwechsel: Wissen wird verfügbar – aber Kontext bleibt menschlich. Während KI datenbasierte Entscheidungsoptionen in Echtzeit liefert, wird der Mensch mehr denn je zum Deuter, Einordner und Kommunikator. Oder wie es die beiden Transformationsexperten formulierten: „Der Wissensträger wird zum Entscheider.“ Die Rolle der Führungskraft verschiebt sich vom Bestimmer zum Möglichmacher – zur Orchestrierung menschlich-technologischer Kooperation.
Anhand klassischer Führungsaufgaben wurde deutlich, wie sich jedes Element verändert:
- Zielsetzung und Strategie benötigen Übersetzung in KI-verarbeitbare Parameter.
- Organisation und Delegation müssen sich dynamisch anpassen – an neue Agenten und sich wandelnde Verantwortlichkeiten.
- Personalführung verlangt neue Kompetenzprofile – und das Management eines Mensch+Agenten-Teams.
- Kommunikation und Feedback werden zur Brücke zwischen algorithmischer Effizienz und menschlichem Sinnbezug.
- Kontrolle wandelt sich zur Interpretation von Systemsignalen.
- Repräsentation heißt heute auch: Verantwortung für den ethischen Rahmen der KI-Nutzung zu übernehmen.
Sabine und Alexander betonten, dass emotionale Intelligenz dabei zur Schlüsselkompetenz wird – nicht als Soft Skill, sondern als Führungsinstrument, um Sicherheit, Vertrauen und Haltung im Wandel zu stiften. Gleichzeitig stellten sie klar: Hierarchie verhindert kollaborative KI-Nutzung. Wer an Befehlsketten festhält, blockiert die Potenziale vernetzter Entscheidungssysteme.
Führungskräfte, so die Botschaft, müssen nicht ersetzt werden – aber sie müssen sich bewegen. Nicht um Technik zu beherrschen, sondern um mit ihr in Beziehung zu treten. Oder zugespitzt: Führungskräfte, die KI nutzen, werden Führungskräfte ersetzen, die es nicht tun.
Was jetzt zählt – und was folgt
Die Diskussionen beim Digital Work Forum 2025 zeigten insgesamt einmal mehr, dass die KI-Integration in der Arbeitswelt kein Toolprojekt ist, sondern eine Frage des Enablements und der Veränderung. Wer smarte Zusammenarbeit mit KI entwickeln will, muss Organisation, Führung und Enablement neu denken – jenseits von Standardtrainings oder reaktiven Governance-Vorgaben.
Im Mittelpunkt unserer Diskussionen standen demnach auch Reifegradmodelle, Führungsverständnis und kollaborative Verantwortung - und die zeigen: KI ist kein zusätzliches Werkzeug, sondern ein neuer Akteur im System. Der Umgang mit ihr verlangt nicht nur technische Kompetenz, sondern ein verändertes Verständnis von Kontext, Reflexion und Miteinander. Besonders Führungskräfte und Projektverantwortliche stehen vor der Aufgabe, Räume für kooperatives Lernen, kritische Auseinandersetzung und transparente Orientierung zu schaffen.
Das war nur ein erster Rückblick auf die Veranstaltung, die über meine Einleitung und den Vortrag von Sabine und Alexander durchaus noch Vieles mehr bot, was wir in weiteren Beiträgen aufarbeiten wollen. Dabei gilt es zu fragen: Wie gelingt die Einführung von KI im Arbeitskontext in der Praxis? Welche Rolle spielen Intranet-Plattformen, Copilot-Enablement, Experience Design und neue Formate des Wissensmanagements? Und was lässt sich aus zehn Jahren Plattformarbeit für die Zukunft der KI-getriebenen Zusammenarbeit ableiten?
An dieser Stelle sagen wir schon mal DANKE an alle Mitwirkenden und Teilnehmenden und freuen uns auf weitere Diskussionen.
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