
Wie wir mit KI arbeiten, verändert sich – und mit ihr die Anforderungen an Zusammenarbeit, Rollenverständnis und Lernkultur. In unseren letzten Beiträgen zur Vorbereitung auf das Shift/Work Digital Work Forum 2025 haben wir bereits beleuchtet, was das für Führung bedeutet („Führung & Enablement im Wandel“) und welche neuen Strukturen smarte Zusammenarbeit braucht („Die smarte Zusammenarbeit von morgen“).
Jetzt geht es um die zentrale Frage: Wie gelingt Enablement, das nicht nur den Umgang mit Tools vermittelt, sondern den Boden bereitet für neues Denken und Arbeiten? Denn KI sinnvoll zu nutzen heißt nicht nur, Prompts zu schreiben, Texte oder Meetings zusammenfassen oder analysieren zu lassen oder Inhalte zu generieren. Dies heißt auch, Routinen zu hinterfragen, Prozesse neu zu ordnen und Zusammenarbeit bewusst anders zu gestalten.
Wofür wir bei der KI-Einführung am Arbeitsplatz befähigen müssen
Wir teilen die vielerorts definierte Aussage: Befähigung für KI muss mehr sein als eine Schulung zur Nutzung neuer Tools. Es geht darum, Mitarbeitende strategisch zu befähigen, in einer Arbeitswelt zu bestehen, in der sich Aufgaben, Rollen und Entscheidungslogiken grundlegend verändern. Sie müssen lernen, mit einer neuen Kategorie von Werkzeugen zu denken und zu arbeiten. Das betrifft nicht nur generative KI wie Copilot oder ChatGPT, sondern auch die spezialisierte KI-Anwendungen in Analyse, Planung und Automatisierung.
Die erste zentrale Anforderung besteht darin, zu verstehen, wie KI funktioniert und wofür sie jeweils geeignet ist. Es geht dabei nicht um technische Details, sondern um funktionales Orientierungswissen. Generative KI kann Inhalte erzeugen, Texte umformulieren oder Zusammenfassungen liefern. Analytische KI hingegen erkennt Muster in großen Datenmengen, prognostiziert Entwicklungen oder unterstützt bei komplexen Entscheidungsprozessen. Diese beiden KI-Arten basieren auf unterschiedlichen Prinzipien und erfordern jeweils eigene Formen der Einbettung in Arbeitsabläufe. Mitarbeitende müssen erkennen, welche Technologie in welchem Zusammenhang sinnvoll ist – und wo eine kritische Prüfung erforderlich bleibt.
Gerade bei generativen KI-Modellen ist ein grundlegendes Verständnis besonders wichtig. Diese Systeme arbeiten mit statistischen Wahrscheinlichkeiten, nicht mit verlässlichem Wissen. Sie liefern sprachlich passende Formulierungen, ohne die inhaltliche Richtigkeit garantieren zu können. Deshalb klingen viele Ergebnisse überzeugend, obwohl sie sachlich falsch sind. Hinzu kommt: Generative KI ist darauf trainiert, in jedem Fall eine Antwort zu liefern, selbst wenn keine belastbare Informationsgrundlage vorhanden ist. Dieses Verhalten, das als Halluzination bezeichnet wird, erfordert einen wachsamen und kritischen Umgang. Wer mit KI arbeitet, muss lernen, Aussagen zu prüfen, zu hinterfragen und im Zweifel auch abzulehnen. Diese Kompetenz ist unverzichtbar – besonders in sensiblen, regulierten oder wissensintensiven Arbeitsbereichen.
Die zweite Anforderung betrifft die Fähigkeit, mit KI aktiv zu interagieren. Gemeint ist damit das gezielte Formulieren von Aufgaben, damit KI-Systeme sie sinnvoll bearbeiten können. Dazu gehören zum Beispiel strukturierte Prompts, die Einbettung relevanter Kontextinformationen oder das iterative Weiterarbeiten mit generierten Ergebnissen. Diese Fähigkeit ist kontextabhängig und unterscheidet sich je nach Rolle, Anwendungsfall und eingesetztem System. Eine Projektmanagerin nutzt Copilot für Besprechungsvorbereitungen, ein Controller für Forecasts, ein HR-Team für die Kandidatenanalyse. Die Werkzeuge unterscheiden sich ebenso wie die Anforderungen, doch in jedem Fall braucht es die Fähigkeit, diese Werkzeuge kompetent einzusetzen.
Die dritte und vielleicht grundlegendste Anforderung betrifft das Verständnis von Prozessen und Rollen. KI verändert nicht nur einzelne Aufgaben, sondern stellt etablierte Abläufe insgesamt infrage. Wer KI sinnvoll nutzen möchte, muss über einzelne Anwendungen hinausdenken und neue Arbeitslogiken entwickeln. Es stellt sich die Frage, welche Schritte überflüssig werden, welche Schnittstellen sich verschieben oder wo neue Abhängigkeiten zwischen Mensch und Maschine entstehen. Enablement muss dabei helfen, diese Veränderungen zu erkennen und zu bewerten. Vor allem aber soll es Mitarbeitende in die Lage versetzen, nicht nur mitzuhalten, sondern aktiv an der Neugestaltung von Prozessen mitzuwirken.
Daraus ergibt sich ein klares Anforderungsprofil für moderne Befähigungsprogramme. Sie müssen sich an konkreten Arbeitsrealitäten orientieren, nicht an technischen Produktkatalogen. Sie brauchen differenzierte Lernpfade für unterschiedliche Zielgruppen, Formate für Austausch und gemeinsames Erproben sowie Raum für kritische Reflexion. Denn die produktive Nutzung von KI entsteht nicht durch reines Anwenden, sondern durch Verstehen, Einordnen und aktives Gestalten.
Wichtige Prinzipien für zukunftsfähiges KI-Enablement
Wie Mitarbeitende heute für den produktiven Umgang mit KI befähigt werden, entscheidet darüber, ob aus technologischem Potenzial auch tatsächlicher Wandel im Arbeitsalltag entsteht. Dabei geht es nicht allein um das Erlernen neuer Tools. Entscheidend ist, ob neue Arbeitsweisen entstehen, die den veränderten Anforderungen an Aufgaben, Rollen und Zusammenarbeit gerecht werden.
Die Erfahrungen mit Remote Work haben gezeigt, dass Enablement hier eine zentrale Rolle spielt. Auch damals ging es nicht nur um die Einführung digitaler Werkzeuge wie Microsoft Teams oder Zoom. Der eigentliche Umbruch bestand darin, neue Formen von Führung, Selbstorganisation und Kommunikation zu entwickeln. Viele Organisationen mussten erst lernen, wie digitale Zusammenarbeit wirklich funktioniert. Dieser Lernprozess war nicht immer einfach, hat aber gezeigt, wie wichtig eine gezielte Befähigung in Veränderungssituationen ist.
Im Unterschied dazu verändert KI nicht nur, wie wir zusammenarbeiten, sondern was wir konkret tun. Wenn KI Inhalte erstellt, Vorschläge generiert oder Zusammenhänge analysiert, stellt sie gewohnte Aufgabenprofile, Entscheidungslogiken und Qualitätsmaßstäbe infrage. Das erfordert eine neue Herangehensweise im Enablement. Es reicht nicht, die Nutzung einzelner Tools zu vermitteln. Gefragt ist eine gezielte Auseinandersetzung mit neuen Rollenverständnissen, Verantwortlichkeiten und Arbeitsprozessen.
Aus den bisherigen Diskussionen der Shift/Work-Veranstaltungen sehen wir drei Prinzipien, die für die Ausgestaltung von KI-Enablement besonders hilfreich sein können. Sie beanspruchen nicht, abschließend zu sein. Aber sie bieten einen ersten Diskussionsrahmen:
1. Kontextualisierung statt Standardisierung
Bereits im Remote-Kontext hat sich gezeigt, dass allgemeine Schulungen ohne konkreten Bezug zur Arbeitsrealität wenig Wirkung entfalten. Für KI gilt das umso mehr. Wirkungsvolles Enablement muss arbeitsplatznah, rollenbezogen und problemorientiert angelegt sein. Es sollte nicht bei der Erklärung von Tools stehen bleiben, sondern an den Herausforderungen ansetzen, die Mitarbeitende tatsächlich im Alltag bewältigen müssen. Das kann zum Beispiel die Recherche für ein Kundendossier sein oder die Frage, wie sich der eigene Analyseprozess durch prädiktive Modelle verändert.
Ziel ist es nicht, generische Anwendungen zu erklären, sondern kontextbezogene Kompetenzen zu fördern. Nur wenn Mitarbeitende den Bezug zu ihrer konkreten Arbeit herstellen können, entsteht Relevanz. Daraus wächst Lernbereitschaft und die Motivation, neue Denk- und Arbeitsweisen zu erproben. Diese Haltung haben viele Teams im Zuge des Remote-Umbruchs bereits entwickelt. Darauf lässt sich im KI-Kontext gut aufbauen.
2. Reflexion vor Anwendung
Auch im Übergang zur Remote Work wurde deutlich, dass es nicht reicht, alte Meeting-Kultur einfach in digitale Räume zu übertragen. Es ging darum, Prozesse neu zu denken, andere Kommunikationsformen zu etablieren und mit asynchronem Arbeiten sowie mehr Selbstverantwortung umzugehen. Genau diese Haltung ist jetzt auch beim Thema KI gefragt. Der produktive Umgang mit den neuen Technologien beginnt nicht mit der Frage nach dem „Wie“, sondern mit dem „Warum anders“.
Enablement muss gezielt Raum schaffen, um Routinen zu hinterfragen und die Rolle der Technologie kritisch einzuordnen. Besonders bei generativen Modellen wie Copilot oder ChatGPT ist das notwendig. Halluzinationen, also sachlich falsche oder frei erfundene Inhalte, sowie das Bestreben der Systeme, mit jeder Antwort zu gefallen, machen deutlich: Ohne kritisches Denken und ein geschärftes Qualitätsbewusstsein bleiben erhebliche Risiken bestehen. Diese Haltung lässt sich stärken, indem man auf Methoden zurückgreift, die sich auch im Remote-Kontext bewährt haben. Dazu gehören Peer-Feedback, strukturierte Review-Schleifen und eine Fehlerkultur, die Lernen ermöglicht.
3. Soziales Lernen ermöglichen
Die Erfahrungen aus der Remote-Zeit haben gezeigt, dass produktive Zusammenarbeit nicht allein durch virtuelle Meetings entsteht. Entscheidend waren geteilte Praktiken, asynchrones Arbeiten und ein gemeinsames Sichtbarmachen von Fortschritt. Formate wie Working Out Loud haben diesen Lernpfad unterstützt – auch und gerade in hybriden Teams. Diese Erfahrungen lassen sich direkt auf das Thema KI übertragen.
Enablement sollte gezielt Formate fördern, in denen soziale Aushandlung, kollektives Validieren und gemeinsame Ko-Kreation mit der KI möglich werden. Lernen ist in diesem Kontext kein isolierter Prozess, sondern ein Dialog. Dieser Dialog findet sowohl zwischen Menschen als auch zwischen Mensch und System statt. Der Transfer aus der Remote-Erfahrung zeigt, wie wichtig es ist, Kulturtechniken wie Austausch, Sichtbarmachung und verteilte Verantwortung zu pflegen. Sie bilden die Grundlage, um den nächsten technologischen Entwicklungsschritt gemeinsam und reflektiert zu gestalten.
Fazit: KI-Enablement ist kein Schulungsprogramm – sondern ein Motor für neues Arbeiten
Wenn wir Arbeit wirklich neu denken wollen, genügt es nicht, neue Tools bereitzustellen. Entscheidend ist, ob wir die Art und Weise, wie Aufgaben verteilt, Entscheidungen vorbereitet und Zusammenarbeit gestaltet wird, grundsätzlich hinterfragen und weiterentwickeln. Genau darin liegt das Potenzial von KI-Enablement. Es zeigt auf, was sich verändern muss, und schafft den Rahmen dafür, dass neues Arbeiten entstehen kann.
Die Erfahrungen mit Remote Work haben gezeigt, wie wirkungsvoll Enablement sein kann, wenn es über das reine Vermitteln von Tool-Wissen hinausgeht. Es hat neue Routinen, andere Formen der Zusammenarbeit und ein verändertes Rollenverständnis gefördert. Auch für den Umgang mit KI gelten diese Prinzipien. Die Herausforderungen sind jedoch tiefgreifender. Es geht nicht mehr nur um digitale Präsenz, sondern um geteilte Verantwortung in einer Zusammenarbeit, bei der Mensch und Maschine gemeinsam wirken.
KI-Enablement ist deshalb keine Trainingsmaßnahme im klassischen Sinn. Es ist ein kollektiver Gestaltungsprozess, der technisches Verständnis mit kultureller Veränderungsbereitschaft verbindet. Dies wollen wir auch im Rahmen des Shift/Work Digital Work Forums 2025 - u.a. entlang der Impulse von Sabine und Alexander Kluge wie auch Simon Dückert. Weiter wird unter anderem das Adoption-Konzept der Volkswagen Financial Services durch Nadine Körn vorgestellt. Es zeigt exemplarisch, wie Enablement als strategischer Hebel für eine zukunftsfähige Arbeitsweise gedacht und umgesetzt werden kann. Ergänzend stellen wir gerade noch eine Diskussionsrunde zusammen, die die hier diskutierten Enablement-Prinzipt nochmals kritisch durchleuchten soll.
Wir freuen uns auf eine spannende Veranstaltung und hoffen, dass auch Du dabei sein wirst!?
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